Das Partizip 1 (auch Partizip Präsens genannt) begegnet dir überall im Deutschen: in Nachrichten („die steigenden Preise“), in Kursbeschreibungen („für lernende Erwachsene“) oder in literarischen Texten („lächelnd betrat er den Raum“). Wenn du verstehst, wie das Partizip 1 funktioniert, kannst du deine Sätze präziser, kürzer und stilistisch abwechslungsreicher formulieren.
In diesem Beitrag erfährst du Schritt für Schritt, was das Partizip 1 ist, wie man es bildet und in welchen Situationen es wirklich sinnvoll ist. Du lernst die wichtigsten Verwendungstypen, typische Muster und siehst, wie du lange Nebensätze mit einem eleganten Partizipialausdruck ersetzen kannst.
Was ist das Partizip 1?
Ein Partizip 1 ist ein Verb, das wie ein Adjektiv verwendet wird. Es verbindet also Eigenschaften von Verb und Adjektiv:
- Es stammt von einem Vollverb ab (lernen, lachen, diskutieren …).
- Es beschreibt eine gleichzeitige Handlung oder einen Vorgang.
- Es kann sich wie ein Adjektiv beugen (deklinieren) und vor oder nach einem Nomen stehen.
Vergleich:
- Verb: „Die Schüler diskutieren über das Thema.“
- Partizip 1: „Die diskutierenden Schüler sind sehr aktiv.“
Das Partizip 1 beschreibt hier eine laufende Handlung: die Schüler diskutieren gerade.
Wichtig: Das Partizip 1 steht meist für eine aktive Handlung, die im Moment des Geschehens stattfindet oder andauert. Es unterscheidet sich damit klar vom Partizip 2, das oft eine abgeschlossene oder passive Handlung beschreibt.

Bildung des Partizip 1
Die Bildung des Partizip 1 ist sehr regelmäßig und damit relativ leicht zu lernen.
Grundregel
Du nimmst den Infinitiv des Verbs und hängst ein -d an:
- lernen → lernend
- lachen → lachend
- schreiben → schreibend
- spielen → spielend
Bei sein und tun schiebt man ein -e- ein, damit die Form besser ausgesprochen werden kann:
- sein → seiend
- tun → tuend
Übersicht: Infinitiv und Partizip 1
| Infinitiv | Partizip 1 | Beispielsatz |
| lernen | lernend | Die lernenden Kinder sitzen in der Bibliothek. |
| lachen | lachend | Das lachende Kind rennt über den Hof. |
| diskutieren | diskutierend | Die diskutierenden Teilnehmer füllen den Seminarraum. |
| arbeiten | arbeitend | Die arbeitenden Studierenden sind sehr konzentriert. |
| sein | seiend | Seiend wie er ist, hilft er immer allen. (gehoben) |
| tun | tuend | Tuend, was sie kann, unterstützt sie das Team. (selten) |
In der Alltagssprache werden Formen wie „seiend“ oder „tuend“ eher selten gebraucht. Im Fokus stehen die Formen von normalen Vollverben – genau diese brauchst du für deinen aktiven Sprachgebrauch mit Partizip 1.
Partizip 1 als Adjektiv vor dem Nomen
Eine der häufigsten Verwendungen des Partizip 1 ist die attributive Verwendung, also direkt vor einem Nomen wie ein Adjektiv. Es beschreibt dann eine Eigenschaft, die auf einer laufenden Handlung oder einem andauernden Vorgang beruht.
Beispiele:
- „Der motivierende Unterricht macht Spaß.“
- „Die lesenden Kinder sitzen im Kreis.“
- „Eine anstehende Prüfung sorgt für Nervosität.“
Das Partizip 1 passt sich – wie ein Adjektiv – in Kasus, Numerus und Genus an:
- Nominativ: der lernende Schüler, die lernende Schülerin
- Akkusativ: den lernenden Schüler, die lernende Schülerin
- Plural: die lernenden Schüler, die lernenden Schülerinnen
Übersicht: Partizip 1 als Attribut
| Funktion | Frage | Beispielsatz | Bedeutung |
| Adjektiv vor dem Nomen | „Was für ein/e …?“ | Der schlafende Hund bewegt die Pfoten. | Hund, der gerade schläft |
| Beschreibung von Vorgängen | „Was tut das Nomen gerade?“ | Die wartenden Fahrgäste stehen auf dem Bahnsteig. | Fahrgäste, die gerade warten |
| Stärkere Bildhaftigkeit | Stilistisch dichterer Ausdruck | Der funkelnde Sternenhimmel war beeindruckend. | Himmel, der funkelt |
Im Vergleich zu einem Relativsatz wirkt ein Satz mit Partizip 1 oft knapper:
- „Die Kinder, die lachen, spielen im Hof.“
- „Die lachenden Kinder spielen im Hof.“
Partizip 1 als Adverb / Adverbial
Das Partizip 1 kann sich nicht nur auf ein Nomen beziehen, sondern den gesamten Satz näher beschreiben – ähnlich wie ein Adverb. Es erklärt dann, wie oder in welcher Weise etwas passiert.
Beispiele:
- „Sie ging lächelnd aus dem Raum.“
- „Er antwortete zögernd.“
- „Die Lehrerin erklärte den Stoff anschaulich wirkend.“
Hier beschreibt das Partizip 1 die Art und Weise der Handlung:
- Wie ging sie hinaus? → lächelnd
- Wie antwortete er? → zögernd
Gerade in erzählenden Texten oder Berichten macht das Partizip 1 Sätze lebendiger und präziser, ohne dass du immer mit „indem …“ oder „während …“ arbeiten musst.

Nominalisiertes Partizip 1: die Lernenden, die Reisenden
Sehr häufig findest du das Partizip 1 in nominalisierter Form, also großgeschrieben als Nomen. Es bezeichnet dann meist Personen, die gerade eine bestimmte Handlung ausführen.
Beispiele:
- „Die Lernenden schreiben eine Prüfung.“
- „Die Teilnehmenden sind schon im Seminarraum.“
- „Die Reisenden müssen noch warten.“
Diese Form ist besonders in formellen und inklusiven Texten verbreitet, weil sie geschlechtsneutral ist („die Lernenden“ statt „Schüler“ oder „Studenten“).
Partizipialsätze mit Partizip 1
Ein großer Vorteil vom Partizip 1: Du kannst damit Nebensätze verkürzen. Ein sogenannter Partizipialsatz drückt meist eine Handlung aus, die gleichzeitig zur Handlung im Hauptsatz abläuft.
Vergleich:
- Nebensatz: „Während sie miteinander diskutierten, lösten sie die Aufgabe.“
- Partizipialsatz: „Miteinander diskutierend lösten sie die Aufgabe.“
Oder:
- Nebensatz: „Indem er tief durchatmet, beruhigt er sich.“
- Partizipialsatz: „Tief durchatmend beruhigt er sich.“
Übersicht: Nebensatz und Partizip 1
| Nebensatz mit Konjunktion | Satz mit Partizip 1 | zeitliche Beziehung |
| Während sie lachten, erzählten sie Geschichten. | Lachend erzählten sie Geschichten. | gleichzeitige Handlung |
| Während er liest, trinkt er Tee. | Lesend trinkt er Tee. | gleichzeitige Handlung |
| Indem sie zuhören, lernen sie viel. | Zuhörend lernen sie viel. | gleichzeitiger Vorgang |
Wichtig:
- Ein Partizipialsatz mit Partizip 1 drückt Gleichzeitigkeit aus.
- Das Subjekt des Partizipialsatzes muss dasselbe sein wie das Subjekt des Hauptsatzes – sonst entstehen Missverständnisse („Hängender Baum…“ etc.).
Gerundiv: „zu + Partizip 1“ – etwas ist noch zu tun
Ein spezieller und sehr nützlicher Gebrauch des Partizip 1 ist die Verbindung mit „zu“. Damit beschreibst du etwas, das noch erledigt werden muss oder eine Notwendigkeit.
Beispiele:
- „Die zu erledigende Aufgabe liegt auf dem Tisch.“
- „Wir besprechen die noch zu klärenden Fragen am Ende.“
- „Die zu prüfenden Dokumente sind im Ordner.“
Auch hier entspricht der Ausdruck einem Relativsatz:
- „Die Aufgabe, die noch erledigt werden muss, liegt auf dem Tisch.“
- „Die Fragen, die wir noch klären müssen, besprechen wir am Ende.“
Mit „zu + Partizip 1“ klingt der Satz oft kompakter und etwas formeller – ideal für E-Mails, Berichte und akademische Texte.
Unterschied zwischen Partizip 1 und Partizip 2
Um das Partizip 1 sicher zu verwenden, hilft der direkte Vergleich mit dem Partizip 2:
| Merkmal | Partizip 1 | Partizip 2 |
| Bildung | Infinitiv + d → lernend | meist ge- + Stamm + t/en → gelernt |
| Zeitliche Beziehung | gleichzeitige Handlung / Vorgang | abgeschlossene Handlung / Ergebnis |
| Aktiv / Passiv | meist aktiv | oft passiv oder Ergebnis |
| Beispiel als Adjektiv | der lachende Junge | der gelachte Witz (ungewöhnlich) |
| Beispiel im Satz | Lachend ging er nach Hause. | Er ist nach Hause gegangen. |
Merksatz:
- Partizip 1 → „Was passiert gerade?“ → laufende, aktive Handlung.
- Partizip 2 → „Was ist schon passiert?“ oder „Was wurde getan?“
Typische Fehler beim Gebrauch von Partizip 1
Beim Partizip 1 machen Lernende immer wieder ähnliche Fehler. Wenn du sie kennst, kannst du sie gezielt vermeiden.
Partizip 1 für vergangene, abgeschlossene Handlungen
Oft wird versucht, eine bereits abgeschlossene Handlung mit Partizip 1 auszudrücken. Das wirkt unlogisch, weil das Partizip 1 Gleichzeitigkeit beschreibt.
Falsch:
- „Die ange kommenden Gäste gingen sofort ins Zimmer.“
Richtig:
- „Die ankommenden Gäste gehen sofort ins Zimmer.“ (sie sind gerade im Ankommen)
- „Die Gäste, die angekommen waren, gingen sofort ins Zimmer.“ (abgeschlossene Handlung, besser mit Verbform)
Endungen beim Partizip 1 vergessen
Weil das Partizip 1 wie ein Adjektiv verwendet wird, braucht es im Deutschen die passende Endung.
Falsch:
- „die wartend Kunden“
Richtig:
- „die wartenden Kunden“

Unklarer Bezug (falsches Subjekt)
Ein Partizipialsatz mit Partizip 1 muss sich eindeutig auf das Subjekt beziehen.
Falsch:
- „Lachend wurde der Witz erzählt.“
(Wer lacht? Der Witz? Der Satz ist verwirrend.)
Besser:
- „Lachend erzählte er den Witz.“
- „Der Witz wurde erzählt, und alle lachten.“
Gerade bei Passivkonstruktionen solltest du vorsichtig sein.
So übst du das Partizip 1 gezielt
Um das Partizip 1 sicher zu beherrschen, helfen dir drei Übungstypen:
- Infinitive in Partizip 1 umwandeln:
Nimm eine Liste mit Verben (gehen, fahren, schreiben, telefonieren …) und bilde konsequent die Partizip-1-Form. Schreibe dazu kurze Sätze:- „telefonierend“, „laufend“, „schreibend“ …
- Relativsätze verkürzen:
Ersetze „die/der/das …, die/der/das + Verb“ durch ein Partizip 1.- „Die Kinder, die lachen, spielen im Hof.“ → „Die lachenden Kinder spielen im Hof.“
- „zu + Partizip 1“-Strukturen formulieren:
Schreibe Sätze wie:- „Die noch zu erledigende Aufgabe …“
- „Die zu treffende Entscheidung …“
So wird das Partizip 1 Schritt für Schritt zu einem natürlichen Teil deines Ausdrucks.
Fazit: Warum sich Partizip 1 wirklich lohnt
Das Partizip 1 ist ein kleines Werkzeug mit großer Wirkung. Du kannst damit:
- laufende Handlungen knapp beschreiben („die wartenden Gäste“),
- längere Nebensätze kürzen („lachend ging er weg“),
- Texte stilistisch abwechslungsreicher machen („die zu klärenden Punkte“),
- und moderne, inklusive Formulierungen verwenden („die Lernenden“).
Je besser du das Partizip 1 beherrschst, desto natürlicher und sicherer wirkst du in schriftlichen und mündlichen Texten – besonders auf B2- und C1-Niveau. Achte auf Gleichzeitigkeit, richtige Endungen und einen klaren Bezug, dann wird diese Verbform zu einem echten Plus in deinem Deutsch.
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