Die Vielfalt und der Reichtum der regionalen Küchen machen deutsches Essen zu einem unvergesslichen Erlebnis. Wer glaubt, die deutsche Kulinarik bestehe nur aus Bratwurst und Kartoffeln, wird bei einer Reise durch die 16 Bundesländer eines Besseren belehrt. Jede Region präsentiert einzigartige Spezialitäten, die tief in der lokalen Geschichte und den landwirtschaftlichen Gegebenheiten verwurzelt sind.
Wir nehmen Sie mit auf eine genussvolle Tour zu den Highlights des deutschen Essens, die von deftigen Hauptspeisen über süße Backwaren bis hin zu einzigartigen Kuriositäten reicht.
Süddeutsche Klassiker: Herzhaft und Traditionell
Der Süden Deutschlands ist bekannt für seine herzhaften und oft traditionell-rustikalen Gerichte, die auf eine lange Geschichte zurückblicken.
Baden-Württemberg: Schwäbische Maultaschen
Baden-Württemberg bietet eine große Auswahl an regionalen Köstlichkeiten, die von herzhaftem Zwiebelkuchen bis zum weltbekannten Dessert, der Schwarzwälder Kirschtorte, reichen. Doch eine Spezialität spielt in der baden-württembergischen Küche eine besonders herausragende Rolle: die schwäbische Maultasche. Diese gefüllte Nudelteigtasche, oft als schwäbische Antwort auf die italienische Ravioli bezeichnet, darf bei keinem Besuch im „Ländle“ fehlen.

Die Maultasche, ein echter Klassiker des deutschen Essens, wird auf vielerlei Weise genossen: ob als sättigende Einlage in einer klaren, kräftigen Brühe oder in der Pfanne angebraten und mit knusprigen Röstzwiebeln angerichtet. An der Maultasche kommt in Baden-Württemberg wahrlich keiner vorbei.
Weißwurst mit Brezeln
Wurst, Brezeln und dazu ein kühles Bier zum Frühstück: Diese Tradition ist untrennbar mit Bayern verbunden und gehört zum typischen deutschen Essen dieser Region. Zentrales Element dieses traditionellen bayerischen Frühstücks ist die Weißwurst, die stets mit süßem Senf serviert wird.

Die Tradition schreibt vor, dass die Weißwurst nicht einfach mit Messer und Gabel gegessen wird. Wer sie richtig bayerisch genießen möchte, muss sie „zuzeln“. Dieses bayerische Wort bedeutet so viel wie saugen oder lutschen. Dafür schneidet man lediglich eine Ecke der Wursthaut auf und saugt das feine Brät direkt aus der Pelle. Obwohl sich diese Methode zunächst ungewohnt anhören mag, ist es ein Muss bei einem authentischen Weißwurst-Frühstück. Die Kombination von saftiger Weißwurst, frischer Brezel und süßem Senf ist ein unverzichtbarer Teil des deutschen Essens.
Rheinland-Pfalz: Pfälzer Saumagen
Das deutsche Essen in Rheinland-Pfalz liefert ein Gericht mit einem besonders rustikalen Namen: der Pfälzer Saumagen. Wie der Name schon andeutet, ist der äußere Bestandteil ein Schweinemagen. Dieser dient als Hülle für eine deftige Mischung aus Kartoffeln, Schweinefleisch, Speck und Wurstbrät.

Trotz seines unappetitlichen Namens, den man schnell vergessen sollte, schmeckt der Saumagen köstlich. Nachdem er etwa drei Stunden lang geköchelt hat, wird er in dünne Scheiben geschnitten und in der Pfanne angebraten. Serviert wird die Pfälzer Spezialität traditionell mit Kartoffelbrei und Sauerkraut.
Spezialitäten der Mitte: Kräuter und Kartoffelgerichte
In der Mitte Deutschlands stehen häufig regionale Kräuter und einfache, aber nahrhafte Zutaten wie Kartoffeln im Vordergrund.
Berlin: Currywurst
Die Hauptstadt Berlin hat einen unangefochtenen kulinarischen Kult-Klassiker: die Currywurst. Allein die Berliner verzehren pro Jahr etwa 70 Millionen Currywürste. Das Gericht, bestehend aus einer gebratenen Wurst, bedeckt mit einer speziellen Currysoße und bestreut mit Currypulver, hat seit den 1950er-Jahren einen festen Platz im Herzen des deutschen Essens.

Die Erfindung dieser Ikone wird der Berlinerin Herta Heuwer zugeschrieben, die das Gericht bereits 1949 kreiert haben soll. Die Currywurst ist nicht nur ein Snack, sondern ein Stück Berliner Kultur.
Hessen: Frankfurter Grüne Soße
In jeder traditionellen Frankfurter Wirtschaft findet man sie: die „Grie Soß“ oder Grüne Soße. Sie ist eine erfrischende, kalte Soße, die aus einer Basis von sieben Kräutern zubereitet wird: Schnittlauch, Borretsch, Pimpinelle, Kerbel, Sauerampfer, Petersilie und Kresse.

Die Frankfurter essen die Grüne Soße typischerweise mit gekochten Kartoffeln und wahlweise mit hartgekochten Eiern oder Schnitzel. Die Legende besagt, dass die erfrischende Soße das Leibgericht von Johann Wolfgang von Goethe gewesen sei. Bis heute findet man an Frankfurter Marktständen Kräuterpäckchen mit der Aufschrift „Echte Frankfurter Grüne Soße – Goethes Leibgericht“.
Nordrhein-Westfalen (NRW): Himmel und Äd
Dieses köstlich-rustikale Gericht vereint sprichwörtlich Himmel und Erde. Die himmlische Komponente bezieht sich auf das Apfelmus, da Äpfel am Baum hängen. Die Erde – auf Kölsch „Äd“ – symbolisiert die Kartoffel, die den Hauptbestandteil des Gerichts ausmacht.

Die Basis aus Kartoffelbrei und Apfelmus wird in Nordrhein-Westfalen traditionell mit gebratener Blut- oder Leberwurst und gerösteten Zwiebeln serviert. „Himmel und Äd“ ist ein klassisches Beispiel für bodenständiges und stärkendes deutsches Essen.
Norddeutsche Küche: Fisch, Kohl und Deftigkeit
Die Küchen des Nordens sind geprägt durch die Nähe zur Küste und das kühle Klima, was Gerichte mit Fisch, Grünkohl und deftigen Beilagen hervorgebracht hat.
Bremen: Grünkohl und Pinkel
Während Grünkohl in den letzten Jahren weltweit als „Superfood“ gefeiert wurde, wussten die Bremer schon lange um die Vorzüge dieses Gemüses. Im Norden wird Grünkohl oft nur „Kohl“ oder „Brauner Kohl“ genannt.

Das Bremer Nationalgericht kombiniert den gesunden Kohl mit Pinkel, einer geräucherten, groben Grützwurst. Grünkohl und Pinkel sind ein Inbegriff für herzhaftes, traditionelles deutsches Essen, das besonders in den kalten Monaten genossen wird.
Hamburg: Labskaus
Als wichtige Seehandelsstadt hat Hamburg eine Küche, die sich auf stärkende Mahlzeiten für die Seefahrt konzentrierte. Labskaus ist ein solches herzhaftes Gericht, das man fast nur im Norden Deutschlands findet.

Das Potpourri besteht aus einer Mischung aus Corned Beef und Kartoffelstampf. Labskaus wird traditionell mit Rollmops, Spiegelei, saurer Gurke und Roter Bete serviert. Die ungewöhnliche Kombination mag für Landratten gewagt erscheinen, ist aber erstaunlich lecker und hatte den praktischen Vorteil, dass es auf See bei Sturm auch kalt gegessen werden konnte.
Mecklenburg-Vorpommern: Matjesfilet
Der Matjes, ursprünglich aus den Niederlanden stammend, wurde seit dem 16. Jahrhundert auch in Deutschland immer beliebter und ist heute ein fester Bestandteil des deutschen Essens an der Ostseeküste. Matjes ist ein Hering, der idealerweise zwischen Mai und Juli gefangen wird, wenn der Fisch ein dickes Fettpolster aufgebaut hat. Dadurch werden die Matjesfilets besonders zart.

Die Norddeutschen essen Matjes am liebsten mit Pellkartoffeln und einer cremigen Sahnesoße oder als klassischen, unkomplizierten Snack im Fischbrötchen.
Niedersachsen: Smoortaal
In Niedersachsen ist der Aal, vor allem geräuchert als Smoortaal, eine beliebte, wenn auch inzwischen seltenere Delikatesse. Der Räucheraal wird auf unterschiedliche Weise verzehrt: entweder pur mit Brot und Butter oder mit Beilagen wie Nudeln oder Kartoffelsalat.

Ein besonderer Brauch gilt beim Verzehr: Smoortaal wird immer mit den Händen gegessen. Um den Fischgeruch danach loszuwerden, waschen sich die Niedersachsen die Hände traditionell mit einem Schuss Korn-Schnaps.
Schleswig-Holstein: Birnen, Bohnen und Speck
Das norddeutsche Gericht Birnen, Bohnen und Speck punktet nicht mit dem kreativsten Namen, dafür aber mit Geschmack und regionaler Einfachheit. Es ist eine typisch norddeutsche Kombination aus süß und deftig, die in Schleswig-Holstein auch „Broken sööt“ (gebrochene Süße) genannt wird. Dieses Gericht ist ein ehrliches, günstiges und regionales Beispiel für das traditionelle deutsche Essen.

Ostdeutsche Spezialitäten: Kult, Käse und Backkunst
Die neuen Bundesländer bieten von kultigen Gurken über einzigartigen Käse bis hin zu historischen Backwaren eine breite Palette an Spezialitäten.
Brandenburg: Spreewälder Gewürzgurken
Die Gurke gehört zum Spreewald wie der Tee nach England. Die knackigen Spreewälder Gewürzgürkchen haben mittlerweile weltweiten Kultstatus erlangt. Obwohl der Spreewald deutschlandweit nur auf Platz zwei beim Gurkenanbau liegt (hinter Niederbayern), genießt die Spreewaldgurke höchste Bekanntheit.

Um diesen Kultstatus zu schützen, ist „Spreewald-Gurke“ ein von der EU geschützter geografischer Begriff, den keine andere saure Gurke tragen darf.
Sachsen: Dresdner Christstollen
Neben Lebkuchen ist der Dresdner Christstollen das deutsche Weihnachtsgebäck schlechthin. Buttrig, süß und gefüllt mit Rosinen, Orangeat und Zitronat, ist er ein Hochgenuss zur Adventszeit. Ursprünglich, im 15. Jahrhundert, war der Stollen allerdings ein Fastengebäck aus einfachen Zutaten (Mehl, Hefe und Wasser).

Seinen Durchbruch als reiche Weihnachtsspezialität feierte der Christstollen erst im 17. Jahrhundert, als er – nun mit gehaltvollen Zutaten wie Milch und Butter – als Weihnachtsgeschenk der Dresdner Stollenbäcker an ihre Landesherrn übergeben wurde. Der Dresdner Christstollen ist heute ein wichtiges Exportgut des deutschen Essens zur Weihnachtszeit.
Sachsen-Anhalt: Harzer Käse
Klein, rund, pikant im Geruch und etwas schmierig: Der Harzer Käse ist eine Besonderheit. Er ist vor allem bei ernährungsbewussten Menschen beliebt, da er einen Fettgehalt von weniger als einem Prozent aufweist, dabei aber unglaublich würzig schmeckt.

Anders als die Spreewaldgurke wurde der Begriff „Harzer Käse“ jedoch nicht geschützt und wird heute fast ausschließlich außerhalb des Harzes hergestellt. Nur noch wenige kleine Käsereien im Harz produzieren diese Spezialität selbst.
Saarland: Dibbelabbes
Der saarländische Dibbelabbes (auch Dibbelappes oder Döbbekuchen genannt) ist ein Topfkuchen, der einem großen Kartoffelpuffer ähnelt. Er besteht aus einem Gemisch aus geriebenen Kartoffeln, Gemüse und Speck.

Die Saarländer braten die Masse unter ständigem Wenden in der Pfanne an, wobei der Dibbelabbes immer wieder in Stücke zerrissen wird, bevor er zum Fertiggaren in den Backofen wandert. Serviert wird diese deftige Spezialität gerne mit Apfelkompott oder Endiviensalat.
Thüringen: Thüringer Rostbratwürste
Die Thüringer Rostbratwurst spielt eine besonders wichtige Rolle in der deutschen Wurstbraterei und ist ein fester Bestandteil des deutschen Essens. Sie ist typischerweise 15 bis 20 cm lang, mittelfein und hat einen Durchmesser von 2 cm.

Seit 2003 unterliegt die Thüringer Rostbratwurst einer geschützten geografischen Angabe der EU-Kommission. Das bedeutet, dass die Wurst nur dann diesen Namen tragen darf, wenn sie tatsächlich aus Thüringen stammt. Sie ist ein Beweis dafür, wie wichtig regionale Identität und Qualität für das deutsche Essen sind.
Fazit
Die kulinarische Reise durch die 16 Bundesländer Deutschlands enthüllt, dass deutsches Essen weit mehr ist als nur gängige Klischees. Jede Spezialität erzählt eine Geschichte von Klima, Historie und den Menschen, die sie über Generationen hinweg bewahrt haben. Jeder, der Deutschland besucht, sollte sich unbedingt die Zeit nehmen, diese authentische und überraschend vielfältige Küche zu entdecken. Deutsches Essen lädt dazu ein, Tradition zu schmecken und die kulinarische Seele des Landes kennenzulernen.
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