Mehr als 100 Jahre nach der Gründung der berühmten Kunstschule ist die revolutionäre Bauhaus Architektur in Deutschland an zahlreichen Orten noch heute lebendig und erlebbar. Das Bauhaus, das als bedeutendste Schule für Design, Architektur und Kunst im 20. Jahrhundert gilt, prägte die Moderne wie kaum eine andere Bewegung. Die Grundsätze der Bauhaus Architektur – Form folgt Funktion, die Verbindung von Kunst und Handwerk sowie die radikale Abkehr vom Ornament – sind bis heute Maßstab für modernes Bauen und Gestalten.
Wir begeben uns auf eine architektonische Tour zu den wichtigsten Stationen der Bauhaus Architektur und zeigen, wo Walter Gropius, Ludwig Mies van der Rohe und ihre Zeitgenossen ihre epochalen Ideen in Stein und Stahl umsetzten. Das Erbe der Bauhaus Architektur ist heute an vielen dieser Orte als UNESCO-Welterbe geschützt.
Weimar: Der Ursprung der Bauhaus Architektur
Die Revolution des Designs und die Geburtsstunde der Bauhaus Architektur fanden 1919 in Weimar statt, der Stadt von Goethe und Schiller.
Die Gründung und das Manifest
In Weimar gründete der Architekt Walter Gropius das Staatliche Bauhaus. Gropius vereinte die ehemalige Kunsthochschule und die Kunstgewerbeschule in einem Manifest, das die Trennung zwischen Handwerk und Kunst aufheben sollte, um den „neuen Bau der Zukunft“ zu schaffen. Weltberühmte Künstler und Architekten wie Paul Klee, Wassily Kandinsky und Lászlo Moholy-Nagy lehrten an der von Henry van der Velde entworfenen Bauhaus-Universität.
Das Musterhaus “Haus Am Horn”
Ein zentrales Exponat der frühen Bauhaus Architektur ist das Musterhaus „Haus Am Horn“. Es wurde für die wichtige Bauhausausstellung von 1923 konzipiert und gilt als wichtigstes Objekt dieser frühen Phase. Das Haus Am Horn, das seit 1996 zum UNESCO-Welterbe gehört, verkörpert die frühen Ideen des Bauhauses: konsequente Funktionalität, eine klare Kubatur und eine Gestaltung, die auf die Bedürfnisse des modernen Menschen ausgerichtet ist.

Weitere Bauhaus-Spuren in Weimar
Wer tiefer in die Geschichte der Bauhaus Architektur in Weimar eintauchen möchte, findet im Bauhaus-Museum am Theaterplatz eine umfassende Sammlung zur Entstehungsgeschichte und den frühen Werken. Zudem erinnert das nahegelegene Dorf Gelmeroda untrennbar an den Bauhauskünstler Lyonel Feininger. Feiningers absolute Lieblingsmotive waren die Feininger-Kirche in Gelmeroda, deren kubistische Darstellungen die Verschmelzung von Kunst und Bauhaus Architektur verdeutlichen. Besucher können heute auf dem Feininger-Radwanderweg seinen Spuren folgen.
Der industrielle Ursprung: Bauhaus Architektur vor dem Bauhaus
Die Grundlagen der modernen Bauhaus Architektur wurden bereits vor der offiziellen Gründung der Schule gelegt.
Alfeld: Die Fagus-Werke
Die niedersächsische Stadt Alfeld an der Leine, obwohl historisch von Fachwerkbauten geprägt, ist berühmt für den Fabrik-Bau der Fagus-Werke. Mit diesem Bau gelang Walter Gropius bereits im Jahr 1911 der Durchbruch in die Selbstständigkeit als Architekt. Die Fagus-Werke gelten als Ursprungsbau der Moderne und zeichnen sich durch die revolutionäre Verwendung von Stahl und Glas aus, insbesondere durch die nahezu vollständig verglasten Ecken, die den massiven Eindruck früherer Industriebauten aufhoben. 100 Jahre nach ihrer Entstehung wurde dieses ikonische Beispiel früher Bauhaus Architektur zum UNESCO-Welterbe erklärt.

Thüringen: Vom Experiment zur kompletten Gestaltung
Über Weimar hinaus finden sich in Thüringen weitere bedeutende Zeugnisse der Bauhaus Architektur, die die ganzheitliche Gestaltungsidee der Schule unterstreichen.
Jena: Haus Auerbach und Haus Zuckerkandl
Die nahe Weimar gelegene Universitätsstadt Jena war ein früher Ort zur Umsetzung und Darstellung der Bauhaus-Ideen. Hier wurde mit dem Jenaer Stadttheater (1921/22) das erste Bauwerk realisiert, bei dem die Ideen von Walter Gropius zur Geltung kamen. Auch wenn das Theater heute nicht mehr in der Originalgestalt existiert, zeugen zwei sorgfältig sanierte und im Original erhaltene Gebäude von der frühen Bauhaus Architektur in Jena:
- Haus Auerbach
- Haus Zuckerkandl
Diese Wohnhäuser zeigen bereits die klare Formensprache und die Funktionalität, welche die Bauhaus Architektur später definieren sollten.

Probstzella: Das Haus des Volkes
Im Thüringer Wald, etwa 70 Kilometer südlich von Weimar, steht das Haus des Volkes in Probstzella. Dieses Gebäudeensemble, das Architekt Alfred Arndt zwischen 1925 und 1927 schuf, ist eines der bedeutendsten Bauhaus-Ensembles Thüringens. Das Besondere: Es ist komplett im Sinne des Bauhauses ausgestattet. Selbst die Stoffe, Möbel, Lampen und Türgriffe wurden in den Bauhauswerkstätten entworfen und hergestellt, was das ganzheitliche Design-Prinzip der Bauhaus Architektur eindrucksvoll veranschaulicht.

Dessau: Der Höhepunkt der Bauhaus Architektur
Dessau, in Sachsen-Anhalt gelegen, markiert den Höhepunkt und die Konsolidierung der Bauhaus Architektur und des Bauhaus-Gedankens. Nach dem Umzug aus Weimar im Jahr 1925 entstanden hier die wichtigsten und bekanntesten Bauwerke.
Das Bauhaus Dessau – Ein Architektur-Meilenstein
Das von Walter Gropius entworfene und 1926 eröffnete Bauhausgebäude in Dessau ist ein Meilenstein der Architektur der Moderne und gilt als das bekannteste Bauwerk der Bauhaus Architektur. Charakteristisch sind die klaren Baukörper, die funktional unterschiedlichen Teile des Gebäudes (Werkstätten, Verwaltung, Schule), die große Glasfassade der Werkstätten und die Verwendung des Sichtbetons. Heute ist das „Bauhaus Dessau – Zentrum für Gestaltung” wieder ein lebendiger Ort der experimentellen Gestaltung, Forschung und Lehre und gehört zum UNESCO-Welterbe.

Die Meisterhäuser und die Siedlung Törten
Ebenfalls in Dessau entstanden die Meisterhäuser (1925/26), die Gropius als Wohn- und Arbeitsstätten für die Bauhaus-Meister konzipierte. Hier lebten und arbeiteten unter anderem Paul Klee, Wassily Kandinsky und Lászlo Moholy-Nagy.

Die Spuren der Bauhaus Architektur in Dessau reichen weiter bis zur Bauhaussiedlung Törten, die ebenfalls nach Entwürfen von Gropius entstand und als Versuchssiedlung für das neue, rationale und kostengünstige Bauen gedacht war. Weitere Bauwerke wie das Historische Arbeitsamt und das Kornhaus runden das Ensemble ab.
Berlin: Das Erbe der Bauhaus Architektur
Die Endstation der Bauhaus-Schule war Berlin, nachdem sie 1932 unter dem Druck der Nationalsozialisten aus Dessau fliehen musste. Obwohl die Schule hier nur kurz existierte, ist die Hauptstadt heute ein zentraler Ort des Bauhaus-Erbes.
Das Bauhaus-Archiv
Das Bauhaus-Archiv in Berlin bietet den umfassendsten Überblick über die Geschichte und Wirkung der Schule. Es besitzt weltweit die größte Sammlung zur Bauhaus Architektur und zum Design, darunter berühmte Exponate wie die „Bauhausleuchte“, der Stahlrohrsessel von Marcel Breuer und die „Bauhaus-Tapete“.

Beispiele des Neuen Bauens
Berlin beherbergt weitere bedeutende Beispiele des Neuen Bauens, die von der Bauhaus Architektur beeinflusst wurden:
- Gropius-Häuser am Zehlendorfer Fischtal (1928): Diese Wohnhäuser demonstrieren Gropius’ Engagement für den sozialen Wohnungsbau und die funktionale Gestaltung.
- Haus Lemke (1933): Dieses vom Architekten Ludwig Mies van der Rohe entworfene Wohnhaus im Ortsteil Alt-Hohenschönhausen ist das letzte Wohnhaus, das Mies van der Rohe in Deutschland vor seiner Emigration in die USA realisierte. Es ist ein elegantes Beispiel für seine klare, minimalistische Formensprache, die auf den Prinzipien der Bauhaus Architektur fußt.

Der Süden und Westen: Einfluss auf Wohnen und Kultur
Auch im Süden und Westen Deutschlands wurde die Bauhaus Architektur durch ihre Meister und ihre Prinzipien tief geprägt.
Stuttgart: Die Weißenhofsiedlung
Im Süden Deutschlands, in Stuttgart, steht die renommierte Weißenhofsiedlung. Sie wurde 1927 vom Deutschen Werkbund unter der Leitung von Ludwig Mies van der Rohe errichtet. Die Siedlung war eine internationale Architekturausstellung, bei der führende Architekten der Moderne, darunter Le Corbusier, Bauwerke im Sinne der Bauhaus Architektur schufen. Das Stuttgarter Weißenhofmuseum, das sich in einem von Le Corbusier entworfenen Doppelhaus befindet, bietet ein „begehbares Exponat“ der Architekturgeschichte.

Krefeld: Haus Lange und Haus Esters
Im Westen, in Krefeld, vermittelt das Villenensemble Haus Lange und Haus Esters noch heute den Bauhaus-Gedanken auf beeindruckende Weise. Die eleganten Zwillingsvillen wurden ebenfalls von Ludwig Mies van der Rohe im Jahr 1927 entworfen. Sie gehören heute zu den Kunstmuseen der Ruhrgebietsstadt und dienen als herausragende Beispiele, wie die minimalistische und funktionale Bauhaus Architektur in den privaten Wohnbau Einzug hielt.

Schlussfolgerung: Die bleibende Relevanz der Bauhaus Architektur
Die Frage nach der Bauhaus Architektur führt unweigerlich zu einer Reise durch fast ganz Deutschland – von Alfeld bis Stuttgart, von Weimar über Dessau bis Berlin. Die von Walter Gropius in Weimar begründete Schule lehrte nicht nur eine neue Art des Bauens, sondern revolutionierte das gesamte Verständnis von Design und Lebenswelt.
Die Bauhaus Architektur setzte Maßstäbe in der Funktionalität, der klaren Formgebung und der effizienten Nutzung von Materialien. Die Bauwerke, die heute oft den Status eines UNESCO-Welterbes genießen, sind bleibende Zeugen dieser epochalen Bewegung. Die Philosophie der Bauhaus Architektur lebt in der modernen Stadtplanung, im Industriedesign und in jedem Architekten fort, der die Form aus der Funktion entwickelt.
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