Die Religion in Deutschland ist durch ein einzigartiges und komplexes Verhältnis zwischen Staat und Religionsgemeinschaften gekennzeichnet. Obwohl die deutsche Verfassung die Trennung von Staat und Religion vorschreibt, bedeutet „neutral“ keineswegs Gleichgültigkeit oder Ablehnung. Vielmehr pflegt der deutsche Staat ein partnerschaftliches, kooperatives Verhältnis zu den Religionsgemeinschaften, das auf dem Konsens beruht, dass Religionen einen wichtigen Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt leisten.
Dieser Artikel beleuchtet die fünf wichtigsten Fakten über die Religion in Deutschland, die rechtlichen Grundlagen dieser Partnerschaft und die aktuellen Herausforderungen bei der Integration neuer Glaubensgemeinschaften, insbesondere des Islam.
Die Religionslandschaft in Deutschland: Vielfalt und Wandel
Die Religionszugehörigkeit in Deutschland hat sich in den letzten Jahrzehnten stark gewandelt. Die Bevölkerung genießt die Freiheit, jede Religion frei auszuüben.
- Christentum: Ungefähr die Hälfte der Bevölkerung in Deutschland ist christlich. Diese Tradition prägt bis heute weite Teile der Kultur und gesellschaftlichen Struktur.
- Islam: Rund 7 % der Einwohner sind Muslime.
- Andere Religionen: Etwa 4 % der Bevölkerung gehören anderen Religionsgemeinschaften an.
- Konfessionslosigkeit: Der bedeutendste Trend ist der wachsende Anteil der Bevölkerung ohne religiöse Bindung. Über ein Drittel (36 %) der Menschen sind nicht gläubig, Tendenz steigend.
Diese Pluralität erfordert vom Staat ein hohes Maß an Neutralität und Anpassungsfähigkeit im Umgang mit den verschiedenen Glaubensrichtungen.

Die rechtliche Basis: Trennung und neutrale Unterstützung
Die Trennung von Staat und Religion ist in Deutschland durch das Grundgesetz verankert. Der Staat ist verpflichtet, neutrale Beziehungen zu allen Religionen und Weltanschauungen zu unterhalten. Das bedeutet:
- Der Staat darf sich nicht mit einer bestimmten religiösen oder philosophischen Überzeugung identifizieren.
- Er muss allen Gemeinschaften, die zur gesellschaftlichen Kohäsion beitragen, gleichberechtigt begegnen.
Das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Kontext den Begriff der „neutralen Unterstützung“ geprägt. Diese Unterstützung drückt sich in vielfältigen Kooperationen aus.
Partnerschaftliche Kooperation: Feiertage, Bildung und Soziales
Die neutrale Unterstützung der Religion in Deutschland zeigt sich in einer engen, partnerschaftlichen Zusammenarbeit in mehreren Schlüsselbereichen:
- Gesetzlich geschützte Feiertage: Christliche Feiertage wie Ostern, Pfingsten und Weihnachten sind verfassungsrechtlich geschützt und führen zu ladenschlussfreien, arbeitsfreien Tagen. Dies demonstriert die historische und kulturelle Verwurzelung des Christentums in Deutschland.
- Finanzielle Beiträge: Der Staat unterstützt finanziell Krankenhäuser und Sozialeinrichtungen, die von Religionsgemeinschaften (insbesondere den christlichen Kirchen) betrieben werden. Diese Einrichtungen sind für die soziale Infrastruktur des Landes unverzichtbar.
- Religionsunterricht und Theologie: An den staatlichen Schulen in den meisten Bundesländern wird Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach angeboten. Darüber hinaus findet die Ausbildung von Theologen an staatlichen Universitäten statt. Wer Theologe oder Religionslehrer werden möchte, benötigt jedoch eine Erlaubnis der jeweiligen Kirche oder Religionsgemeinschaft (Vokation oder Missio Canonica), was die Autonomie der Religionsgemeinschaften unterstreicht.
Diese Kooperation macht deutlich, dass Staat und Religion in Deutschland zwar getrennt, aber in vielen gesellschaftlich relevanten Bereichen eng verbunden sind.

Der besondere Fall: Die Kirchensteuer
Deutschland gehört zu den wenigen Ländern weltweit, die eine Kirchensteuer erheben. Dieses einzigartige System ist ein weiterer Ausdruck der partnerschaftlichen Kooperation von Staat und Religion.
- Zweck: Die Kirchensteuer dient den Religionsgemeinschaften zur Finanzierung ihrer Ausgaben für die Gemeinschaft (z.B. Seelsorge, soziale Arbeit, Kindergärten, Verwaltung).
- Erhebung: Die Finanzämter ziehen die Kirchensteuer im Auftrag der Religionsgemeinschaften bei deren Mitgliedern ein.
- Höhe: Die Steuer beträgt 8 oder 9 % der Einkommensteuer (je nach Bundesland).
Dieses staatliche Inkasso ist eine wichtige finanzielle Säule für die Arbeit der Kirchen und entlastet diese von einer aufwendigen eigenen Beitragserhebung.

Herausforderungen: Alte Verträge und neue Gemeinschaften
Die Zusammenarbeit des Staates und der Religionsgemeinschaften basiert auf der Verfassung und auf langjährigen Verträgen. Ein Großteil dieser Regelungen stammt aus einer Zeit, als die überwältigende Mehrheit der Deutschen Mitglied der christlichen Kirchen war.
- Fokus auf christliche Kirchen: Viele dieser Verträge sind primär auf die Organisation und Struktur der christlichen Kirchen zugeschnitten, die als Körperschaften des öffentlichen Rechts anerkannt sind.
- Die Integration des Islam: Seit einigen Jahren bemüht sich der Staat verstärkt darum, den Islam in diese vertraglichen Regelungen zu integrieren, um die Gleichbehandlung aller großen Religionen in Deutschland sicherzustellen.
- Organisatorische Hürden: Dies ist ein schwieriger Prozess, da die muslimischen Gemeinschaften in Deutschland oft anders organisiert sind als die christlichen Kirchen. Beispielsweise verfügen sie nicht immer über eine zentrale Struktur oder eine einfache und vollständige Mitgliederliste, was die vertragliche Basis und die staatliche Finanzierung erschwert.
Trotz dieser Hürden wird die Religion in Deutschland durch den politischen Willen zur Integration und zur Förderung des gesellschaftlichen Zusammenhalts weiterentwickelt. Das partnerschaftliche Modell erfordert dabei kontinuierliche Verhandlungen und Anpassungen an die sich wandelnde religiöse Landschaft.
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